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Phototheca Afghanica

(Sicherung und Bearbeitung alter Fotografien)
 

Zielsetzungen des Projektes:

In Afghanistan herrschen seit 1978 Krieg und Bürgerkrieg. Rund drei Viertel aller heute lebenden Afghanen sind im Krieg geboren und aufgewachsen, haben kaum Schulbildung genossen, wurden aus ihrem Heim vertrieben und haben oft all den Besitz verloren, der zuvor über Generationen hinweg weitergereicht worden ist. Es handelt sich dabei nicht nur um materielle Besitztümer, sondern – was noch viel wichtiger ist – auch um das Wissen um Kultur und Traditionen, die Lebensformen und traditionellen Netzwerke, die nur noch in Bruchstücken vorhanden sind. Die Kette der traditionellen mündlichen Überlieferung ist mit dem Tod der Alten oder ihrer Flucht ins Exil gerissen.

Auf diesem seiner Werte beraubten Nährboden ist es nicht verwunderlich, dass fundamentalistische Organisationen regen Zulauf haben, denn sie geben dem Leben der jungen Menschen einen Sinn und Halt. Wie entscheidend für das Überleben einer Nation und die Ideale einer Gesellschaft das Wissen um ihre Vergangenheit ist, haben wir in der Schweiz zur Zeit des 2. Weltkriegs erlebt. Die ‚geistige Landesverteidigung’ hat damals unserem Volk die Kraft gegeben, ideologischen Einflüssen von Aussen stand zu halten. Afghanistan befindet sich heute in einer vergleichbaren, oder noch viel schlimmeren Situation: In einem Wechselbad von Kommunismus, religiösem Extremismus und ‚Internationalismus’ wurde und wird versucht, die traditionellen Werte auszulöschen und durch fremdes Gedankengut zu ersetzen.

Es ist erfreulich zu hören, dass eine der beliebtesten Sendungen im afghanischen Fernsehen die Serie Tschaikhana (Teehaus) ist, in der alte Männer und Frauen Erinnerungen an die Vergangenheit erzählen. Das Interesse an dieser ‚guten alten Zeit’ ist auch spürbar, wenn irgendwo alte Fotografien zu sehen sind. Leider sind diese zumeist von miserabler Druckqualität, da es sich um Kopien von alten Kopien handelt, und oft ist sogar in seriösen Publikationen festzustellen, dass die Bildbeschreibungen fehlerhaft sind oder ganz fehlen.

Die Erfahrungen der Stiftung BA mit afghanischen Bilddokumenten zeigen, dass es sich dabei um wichtige historische Dokumente handelt. Alte Fotos aus unserem Archiv bildeten die Grundlage für den Wiederaufbau von Gebäuden oder dokumentieren zumindest das ursprüngliche Aussehen der zerstörten Häuser, Basare, Strassen oder ganzer Stadtteile. Ebenso sind Originalaufnahmen von Personen in Afghanistan kaum mehr vorhanden. Sie sind in den Kriegswirren verloren gegangen. Einzig die im National-Archiv gestapelten Foto-Alben aus den während der kommunistischen Periode geplünderten Villen der Königsfamilie haben überdauert. Sie sind jedoch kaum beschriftet und rotten vor sich hin, da niemand weiss, wie sie zu sichern wären und auch die notwendigen Mittel dazu fehlen. Zudem handelt es sich grösstenteils um ‚offizielle’ Alben mit Bildern von Staatsbesuchen ausländischer Machthaber oder afghanischer Repräsentanten im Ausland. Der gesamte Bestand an Hunderttausenden von Pressefotos aus den Jahren nach 1930, die im Archiv der staatlichen Nachrichtenagentur Bakhtar lagerten, wurde 1978 in Säcke gestopft und vor den Toren der Stadt Kabul verbrannt.

In den vergangenen zehn Jahren hat das Afghanistan-Institut in enger Zusammenarbeit mit afghanischen und europäischen Experten mehr als 5'000 solch alter Bilder bearbeitet (Identifikation des Aufnahmeorts, der dargestellten Objekte, Personen, Vorgänge und des ungefähren Zeitpunktes der Aufnahme), die in Afghanistan vor 1950 entstanden sind. Damit konnten Erfahrungen gesammelt werden und es ist eine Grundlage geschaffen, auf der nun das vorgesehene Projekt aufbauen kann.

Einerseits sollen die im Afghanistan-Archiv in Bubendorf vorhandenen Fotos erfasst und bearbeitet – und damit zugänglich gemacht werden, anderseits besteht die Absicht, in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen auch deren alte Fotografien in ähnlicher Weise zu bearbeiten.

In einem weiteren Schritt sollen auch afghanische Institutionen mit einbezogen werden. So ist daran gedacht, mit der Hilfe afghanischer Historiker, von denen einige bereit sind, hierfür vorübergehend aus ihrem Exil zurückzukehren, Studenten und Studentinnen an afghanischen Universitäten in der Identifikation und Beschreibung solcher Bilddokumente zu schulen. Dies ist direkt verbunden mit der praktischen Anwendung von Computer-Programmen, historischen und volkskundlichen Recherchen, dem Abfassen kurzer Bildbeschreibungen in einer der afghanischen Sprachen und deren Übersetzung ins Englische, Deutsche oder Französische.

Ziel des Projektes ist also nicht nur die physische Sicherung der alten Bildbestände, sondern auch deren Inwertsetzung für den Wiederaufbau des Landes und seiner Gesellschaft. Zu diesem Zweck müssen die Aufnahmen und Beschreibungen aber auch zugänglich gemacht werden (z.B. durch Ausstellungen, im Internet, durch Publikationen oder auf Foto-CDs). Dadurch kann ein wichtiger Beitrag zur Identitätsfindung und zur Bildung eines positiven nationalen Selbstbewusstseins im afghanischen Volk geleistet werden.

Als erster Schritt in dieser Richtung wurde in Zusammenarbeit mit dem afghanischen Erziehungsministerium eine Ausstellung historischer Bilddokumente erarbeitet, die nun in 68 Exemplaren durch die Schulen aller 34 Provinzen des Landes zirkuliert.
 

Praktische Durchführung und Umsetzung des Projektes:

  1. Inventarisation der Alben, Sammlungen, Einzelbilder, Negative, etc.
  2. Sicherung durch Einscannen und Digitalisieren
  3. Sicherung der Originalfotos durch Montage in Passepartouts aus säure- und holzfreiem Spezialpapier mit chemischer Pufferung
  4. Sicherung der Originalaufnahme/Negative/Alben durch sachgemässe Lagerung in Spezialschachteln, wodurch sie häufigem Berühren und Blättern, etc., entzogen werden, nachdem nun Scans auf dem Bildschirm einsehbar sind
  5. Individuelle Beschreibung jeder einzelnen Aufnahme mit der Angabe von Ort und Datum, den dargestellten Personen, Gebäuden, Ereignissen, etc.
  6. Erschliessen durch Zuordnen von Deskriptoren aus einem speziellen Thesaurus
  7. Ordnen in Bild-Datenbanken
  8. Erstellen von Sicherungskopien für Kabul und Bubendorf (und ev. andere Nutzer)
  9. Schaffung der Zugänglichkeit durch Ausstellungen, Einrichten einer Website, in der die Beschreibungen und grobauflösende Scans über das Internet abrufbar sind
  10. Erarbeitung von Richtlinien zu Copyright-Problemen, z.B. wer ist berechtigt und unter welchen Bedingungen, hochauflösende Scans zu erhalten

Brennende Fotos, schwindende Erinnerungen
Im Kampf um die ideologische Reinheit einer Nation wurden in Afghanistan Millionen von Fotografien zerstört. Heute sehnt sich die Bevölkerung nach ihrer Geschichte – und bekommt sie von einem Schweizer erzählt.

Das Gedächtnis Afghanistans bewahren
Bibliotheca und Phototheca Afghanica

Das visuelle Erbe Afghanistans.
Fotografische Zeugnisse zwischen Vernichtung, Verfall und Vergessen